13.11.2024

Brainspotting  – Reden allein genügt nicht!

In meiner Praxis wende ich Brainspotting  seit Anfang 2024 an, nachdem ich bei dem Psychoanalytiker Gerhard Wolfrum die Anwendung der Methode erlernt habe und weiterhin mit ihm in Kontakt bin.

Brainspotting ist eine Methode zur Therapie traumatischer Erlebnisse, die von dem amerikanischen Psychoanalytiker David Grand entwickelt wurde, um neurophysiologische Blockaden aufzulösen. Es wird auch der Begriff neurale Therapie verwendet.

In der Öffentlichkeit beachtete erfolgreiche Anwendungen fanden bei den traumatisierten Menschen statt, welche die Zerstörung der Twin-Towers überlebt haben, und bei den verängstigten  Lehrern und Schülern die Opfer des Massakers in der Sandy Hook Schule in Newtown/Connecticut geworden waren. Auch spätere Behandlungen bei Vietnam-Veteranen waren erfolgreich.

Im deutschsprachigen Rahmen wurden Studien zur Behandlung von  Alkoholikern mit der Brainspotting durchgeführt. Die Ergebnisse sind vielversprechend, 70 % der behandelten Personen fanden die Methode unterstützend und hilfreich, was die Reduzierung von Craving betraf. 

Bei Menschen mit Suchtproblematik sind in der Biografie häufig traumatische Belastungen nachweisbar.  Diese gehen entweder mit Störungen in den frühen Beziehungen zu den Eltern einher, oder sind durch spätere Beeinträchtigungen, während der Schulzeit und der Pubertät entstanden.  Gemeinsam an diesen Erfahrungen ist, dass sie ihre Spuren im Körper, im Sinne einer Reiz-Reaktions-Prägung im limbischen Teil des Nervensystems, hinterlassen haben. Diese neurophysiologischen Einkapselungen beinhalten ein überdauerndes Potenzial übermäßiger Stress-Empfindlichkeit und verschiedene Formen von spontanen Angstreaktionen.

Folgende Stichworte mögen eine Vorstellung davon geben, wovon die Rede ist, und welche psychosozialen Erfahrungen zu einer Traumatisierung führen können: Trennung der Eltern, häufige Umzüge, Mobbing in der Schule, Gewalt, Parentifierung ( emotionaler Missbrauch durch ein oder beide Elternteile oder Vernachlässigung und zu frühe Selbstständigkeit), sexueller Missbrauch, Unfälle, und Gewalterfahrungen.

Die traumatische Symptomatik zeigt sich in wiederkehrenden, nicht greifbaren Ängsten, Selbstunsicherheit, Hilflosigkeit und Verzweiflung.

Brainspotting ist eine  Methode, die mit einem Minimum invasiver Beeinträchtigung einher geht und die Selbstheilungsressource  des Nervensystems aktiviert. Diese neurophysiologische Entspannung führt zu einer deutlichen Reduzierung von Angst und Dissoziation.

Eine therapeutische Besonderheit besteht darin, dass die sprachliche und analytische Auseinandersetzung mit belastenden inneren Themen nicht im Vordergrund steht. Es wird ein emotionaler Zugang zu den Selbstheilungs-Ressourcen des Nervensystems hergestellt, und eine  neurophysiologische Korrektur initiiert.

Grundvoraussetzung für den gelingenden Prozess ist eine gute Einstimmung (Dual Attunement) zwischen Therapeut und Klient. Eine vertrauensvolle, wohlwollende und verstehende Beziehung muss vor der Anwendung der Methode entstanden sein.  

Brainspotting ist meines Erachtens in der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen eine hilfreiche und nützliche Methode um Craving zu reduzieren und um nachhaltige und vor allem emotional-rationale Entscheidungen für ein drogenfreies Leben zu unterstützen.

Und damit steht uns ein weiterer wirksamer Zugang zur Verfügung,  durch Initiierung von Selbstregulation den „eingefrorenen“ traumatischen Stress zu beseitigen und somit die Fähigkeit zur langfristigen Abstinenz  zu erhöhen.

Eduard Luszas

Quellen:  

Gerhard Wolfrum,  Das Lehrbuch Brainspotting: Ein neuer Weg in der Traumatherapie 2020

David Grand Brainspotting 2015